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Auszüge aus der Chronik "Es war - Ein Dorf und seine Menschen zwischen 1931 und 1945" von Bodo Zapora

 

Bräuche in Striese

 

Solang ich mich erinnern kann, war das Neujahrs-Läuten in Striese ein guter Brauch. Kurz vor Mitternacht zogen einige Männer vom Gasthaus Schlanzke zum Glockenturm auf dem Kirchhof. Still warteten sie, bis die Dominium-Uhr Mitternacht anschlug, um mit dem ersten Schlag der Uhr die Glockenseile anzuziehen. Das neue Jahr wurde zu seinem Beginn eine Stunde lang mit Glockengeläut begrüßt.

Der in schlesischen Dörfern nie ganz verschwundene Aberglaube kam in der Neujahrsnacht auch nicht zu kurz. Wer die bösen Geister verscheuchen wollte, knallte parallel zum Glockengeläut mit seinem Jagdgewehr oder einer anderen Handfeuerwaffe einige Schüsse in die Luft.

Was andernorts das Flachsspinnen, war in Striese das Federnschleißen. Eine Hausfrau, die eine genügend große Menge sauberer Gänsefedern gesammelt hatte, lud ihre Freundinnen und Nachbarinnen zum Federnschleißen ein. Je mehr Daunen vor den Frauen lagen, umso ruhiger wurde ihr anfangs so lebhaftes Gespräch. Nun durften die ihre Frauen begleitenden Männer zu Wort kommen. Der "Weiber-Klatsch" war dann erstmal zu Ende. Grusel-, Spuk- und Schauergeschichten hatten nun den Vorrang. Gewürzt wurden die Geschichtchen möglichst mit einer spaßigen Pointe, damit die Frauen sich nicht mehr das Lachen verbeißen konnten. Für ein Viertelstündchen konnte alle angestaute Albernheit losgelassen werden, um dann in einer zweiten Runde noch einmal einen großen Haufen Federn zu schleißen. Weil die Frauen vor der Kaffeepause ihren neuesten Dorfklatsch losgeworden waren, konnten jetzt die Männer abwechselnd erzählen und zu einer mitgebrachten Mund- oder Zieharmonika singen.

An nur zwei Häuser kann ich mich erinnern, in denen ich bei solchen geselligen Abenden dabei sein durfte: bei der Familie Haase (Schmied) im Backofen und bei der Hoffmann-Friedel in der Mühle.

Von Dreikönig bis zum Beginn der Passionszeit war auch die Zeit der öffentlichen Lustbarkeiten. "Faschingszeit" wurden diese Wochen allgemein genannt. Gemäßigte Ausgelassenheit und harmlose Fröhlichkeiten waren bezeichnend für die Vergnügen (Tanz- und Ballabende) der Dorfbevölkerung.

Alljährlich führte die Freiwillige Feuerwehr auf der eigens dafür aufgebauten Bühne im "großen Saal" bei Schlanzke ein Laienspiel auf. Zur Generalprobe durften auch die Kinder anwesend sein. An die eigentliche Aufführung, die eine Woche später stattfand, schloß sich das "Feuerwehr-Vergnügen" mit Tanz an.

Ebenso alljährlich wurde im Winter ein Maskenball veranstaltet, bei dem während des allgemeinen Tanzes die "Masken" untereinander ebenso wie die ohne Maske teilnehmenden Gäste nach Kräften zu erraten versuchten, wer sich hinter den Masken verbirgt. Um Mitternacht mußten die Masken gelüftet werden. Die originellsten und schönsten Masken und der oder die nicht erratenen Maskenträger erhielten dann vom Gastwirt und Gönnern gestiftete Preise.

Abschluß der Faschingszeit war auch bei uns der Aschermittwoch; davor wurde geradezu "geschlemmt", wenn in den meisten Familien die Fastnachts-Pfannkuchen (Krapfen) gebacken wurden.

Drei Wochen vor Ostern zogen am Sonntag Lätare die Kinder mit ihren bunten "Sommerstecken" von Haus zu Haus und erbaten kleine Gaben.

War Ostern vorüber, nahte der Mai. Am 1.Mai wurde auf Schlanzkes Spielwiese ein Maibaum aufgestellt, unter dessen Spitze ein riesiger, mit bunten Bändern geschmückter Kranz aus frischem Grün schwang, an dem mancherlei reizvolle Sachen hingen. Die jungen Burschen versuchten an dem glatt abgeschälten und kräftig eingeschmierten Stamm bis unter den Kranz zu klettern und eine der Würste oder anderen leckeren Dinge vom Kranz zu reißen. Die Erkletterung des Maibaumes war nicht ohne Risiko. Wen unterwegs oder auch nach erhaschter Belohnung die Kräfte verließen, rutschte an dem glatten Stamm herab wie ein fallender Stein, dabei konnte die unsanfte Landung recht schmerzhaft sein.

An besondere Pfingstbräuche vermag ich mich nicht zu erinnern. Auffällig war, daß Erwachsene und Kinder in großer Zahl zu Pfingsten erstmals im Jahr ihre Sommer-Sonntagskleider anzogen.

Wegen des Verdunklungsgebots in der Kriegszeit wurde ab 1940 kein Johannisfeuer am Johannisabend entfacht. Bis Kriegsbeginn traf man sich einige Jahre lang bei Einbruch der Dunkelheit in der Lehmgrube, wo von markigen Sprüchen und gemeinsamem Gesang begleitet ein riesiger Reisighaufen abgebrannt wurde, dessen Restglut junge Leute anschließend einzeln oder paarweise übersprangen.

Waren im allgemeinen die Erntearbeiten vollendet, dann feierte man in Striese das Erntefest. Das war an einem Sonntagnachmittag ein volkstümlicher Aufzug aller in und für die Landwirtschaft Tätigen. Dominiumarbeiter und Bauern feierten gemeinsam beim Umzug, dem "Entenreiten", dem Kinderfest auf der Spielwiese und beim Tanz am Abend.

Im Herbst erfreuten sich alljährlich zahlreiche Menschen an den Kartoffelfeuern, in denen je nach Wetter am späten Nachmittag eines warmen, trockenen Tages das abgedörrte Kartoffelkraut verbrannt wurde. Die darin "gebratenen" Kartoffeln schmeckten ohne Salz und Butter oder Quark, aus der verkohlten Kruste gegessen, besonders würzig.

Zu den jedes Jahr im Spätherbst stattfindenden Treibjagden versammelten sich geladene Jäger aus den Nachbardörfern und aus Breslau. Hier entwickelte sich in den Kriegsjahren der gute Brauch, einen Teil der Strecke an das Lazarett im Kloster Trebnitz abzugeben. Der größte Teil der Dorfbevölkerung bemerkte allerdings kaum, daß überhaupt eine Treibjagd stattfand. Insofern waren die jährlichen Jagden kein Volksbrauch.

Nur achtzehn Tage vor dem Heiligen Abend gab es für die Kinder schon immer einen Vorgeschmack auf Weihnachten, das Nikolausgehen. Bei Rahner kauften sich die heranwachsenden Jungen eine Nikolauslarve, zogen sich einen möglichst großen, alten Mantel an, stülpten sich oberhalb der umgebundenen Larve eine Wollzipfelmütze auf den Kopf, nahmen einen möglichst großen und schweren Stock in die Hand, und fertig war der kinderfreundliche Nikolaus.

Wer einen willigen Kumpan hatte, zog mit einem rauhen Begleiter, Knecht Ruprecht, von Haus zu Haus. Der Knecht Ruprecht hatte einen mit Heu vollgestopften Sack zu "schleppen", in dem obenauf einige Äpfel und Nüsse lagen, dazu eine Rute. Wo der Nikolaus mit seinem Helfer einkehrte, wurden die ins Haus gehörenden Kinder mit dem simplen Spruch geprüft: "Kannst du beten? Kannst du singen? Kannst du über die Keule springen?" Anschließend wurden die Kinder belohnt oder bestraft.

In einigen Familien hatte der Nikolaus-Brauch schon vor Kriegsbeginn einige wesentliche Änderungen erfahren. In der Autoritätsfigur des Weihnachtsmannes wurden Züge des Kinderschrecks Knecht Ruprecht und des Kinderfreundes Nikolaus vereint. "Lieber, guter Weihnachtsmann, sieh mich nicht so böse an; stecke deine Rute ein, ich will auch immer artig sein."

Damit kam "alle Jahre wieder das Christuskind" in immer weniger Familien "auf die Erde nieder"! Aus dem Christbaum wurde zunehmend ein Weihnachtsbaum, Tannenbaum, Lichterbaum, und in der Hitlerjugend und den Gliederungen der NSDAP propagierte man das Jul-Fest, ein Winterfest der Germanen. Bis einschließlich der letzten Kriegsweihnacht (1944) konnte der Weihnachts-Ersatz J u l in den Strieser Familien nicht recht Eingang finden.

 

 


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