Dies ist eine kostenlose Homepage erstellt mit hPage.com.

Auszüge aus der Chronik "Es war" - Ein Dorf und seine Menschen zwischen 1931 und 1945,

von Bodo Zapora

Die Kleinbahn Breslau - Trebnitz - Prausnitz

Öfter die Seiten wechselnd, verlief das Gleis der Kleinbahn mal neben und mal auf der Straße. Die Bewohner Strieses, welche nach Trebnitz oder Breslau fahren wollten, konnten je nach Richtung ihren Abfahrtpunkt noch danach auswählen, wie sie im Dorf Striese das Pfeifen der Kleinbahn hörten. Wollte man z. B. nach Trebnitz fahren und hörte die Lok schon in Schön-Ellguth pfeifen, dann wurde nach Peterwitz gerannt und der Zug noch erreicht; wollte man nach Breslau und hörte die Lok bereits in Peterwitz pfeifen, dann wurde flink nach Schön-Ellguth gerannt und der Zug ebenfalls noch erreicht.

Von den Bewohnern der Region wurde die Kleinbahn gutmütig "Der Kaffeebrenner" genannt. Eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Haus-Kaffeeröster (Kaffeebrenner) konnte man an den kleinen, etwas schmalbrüstigen Lokomotiven der Kleinbahn durchaus bemerken. Die in ihrer Grundfarbe moosgrünen Lokomotiven, Pack-, Personen- und Güterwagen wurden jeweils nur zu kurzen Zügen aneinandergekoppelt. Lediglich während der Zuckerrüben-Kampagne fuhren neben den fahrplanmäßigen Personenzügen auch "Güterzüge" auf der Strecke nach Breslau-Rosenthal bis zur Zuckerfabrik.

Die kleinen, mit drei Triebachsen ausgestatteten, relativ leichten Loks hatten selbst bei geringen Steigungen gelegentlich die Unterstützung einer zweiten, schiebenden Lok nötig, um den Zielbahnhof zu erreichen.

Vom Kleinbahnhof in Breslau bis über die Gröschelbrücke hinweg - wo die Kleinbahngleise am Schrebergartengelände nach Carlowitz abbogen - benutzten Straßenbahn und Kleinbahn jeweils die rechte Schiene der Gleisanlage gemeinsam. Die unterschiedliche Spurweite von Kleinbahn (nur 75 cm) und Straßenbahn (erheblich breiter) erforderte für die jeweils linken Räder der Kleinbahn eine eigene Schiene. Auf dieser Strecke, von der Gröschelbrücke bis zum Kleinbahnhof, endete jegliches Gespräch der Fahrgäste nach Breslau hinein oder aus Breslau heraus.

An den Haltestellen verspätet eintreffende Reisende ohne Gehfehler konnten meistens nach einem kurzen Spurt noch auf eines der Trittbretter des fahrenden Zuges aufspringen und dann auf einer der hellen lackierten Holzbänke der 3. Klasse oder in den mit braungestreiftem Plüsch bezogenen gepolsterten Sitzen der 2. Klasse Platz nehmen.

Obwohl die Kleinbahn selten eine Geschwindigkeit von 20 km/h überschritt, war das Blumenpflücken während der Fahrt jedoch streng verboten!

 

Wie schnell so eine Fahrt dennoch war, prägte sich mir unvergeßlich ein, als ich das erste Mal in Wiese vom fahrenden Zug absprang. Der Haltepunkt Wiese lag in der Talsenke des Lohebachs. Hatte der Schaffner auf dem Perron nicht rechtzeitig die Waggonbremse mit einer Handkurbel fest angezogen, und schoben einige angehängte Güterwagen zusätzlich bei der Bergabfahrt, dann rauschte der Zug über den Haltepunkt hinaus und fuhr ein Stück bergan in Richtung Hochkirch. Wer nicht warten wollte, bis der Zug zurückgerollt und zum Stehen gekommen war, sprang in der Höhe des Wartehäuschens ab. Warum sollte ich nicht auch können, was die in der Kleinbahnbenutzung erfahreneren Mitschüler so lässig ausführten! Zwei waren vor mir gekonnt nur wenige Schritte neben dem Zug herlaufend bereits zu den Fahrrädern abgeschwenkt, als ich mich auf dem Trittbrett umdrehte und in Richtung Schön Ellguth absprang, um nicht unnötig neben dem Zug herzulaufen. Kaum berührten meine Füße den Boden, riß mich nach unabänderlichen Gesetzen der Mechanik die in Bewegung befindliche Masse meines Körpers auf mein Hinterteil. Mit der Büchertasche in der Hand drehte ich eine Rolle rückwärts, wie ich sie in keiner Turnstunde zustande gebracht hätte, und stand zutiefst erschrocken schon wieder auf den Beinen, bevor der Zugführer Wiegner in Fahrtrichtung abspringend mich erwischen konnte. Ich hatte den Vorsprung seiner Schrecksekunde und der zwischen uns liegenden Entfernung und entwischte, ohne die verdiente Tracht Prügel zu bekommen.

 

(Foto: Die Kleinbahn in Wiese)

Die Station Wiese hatte gegenüber manchem anderen Haltepunkt die besondere Bedeutung, daß die durstigen Lokomotiven aus einem "Hochbehälter" in ihre kleinen Tanks rechts und links neben dem Kessel Wasser nehmen konnten. Die auf dem Tender hinter dem Führerstand gebunkerte Kohle reichte jeweils für die gesamte Fahrstrecke von rund 37 km.

Das Wellblech-Wartehäuschen in Wiese konnte nur in der südlichen Hälfte von Wartenden genutzt werden. Die Nordhälfte beherbergte eine Fahrzeugwaage, auf der insbesondere während der Zuckerrübenkampagne die von den Bauern angelieferten Zuckerrüben gewogen wurden. An der Giebelwand zur Fahrzeugwaage stand ein großer Blechbehälter, in dem während der "Rübenzeit" die von den anfahrenden Wagen entnommenen Zuckerrübenproben gewaschen wurden, um so den Schmutzanteil am Gesamtgewicht besser bestimmen zu können.

Wer mit dem Fahrrad von Striese zum Haltepunkt Wiese fuhr, stellte sein Rad beim alten Schröder an den Schuppen im Hof. Keines der Fahrräder oder auch nur ein Teil davon wurde jemals gestohlen, so gewiß man erleben konnte, daß sich jemand ein ihm bekanntes Rad "ausgeliehen" hatte, wenn er schwer beladen mit Einkäufen aus Breslau kam und nicht alles per pedes tragen wollte oder schnell zu Hause sein mußte; dann nahmen wir Schüler uns gegenseitig auf der Querstange mit nach Striese, das entliehene Fahrrad stand bestimmt schon zu Hause auf dem Hof.

 

 

Nach oben

Dies ist eine kostenlose Homepage erstellt mit hPage.com.