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Der Weg zum Dorf Striese

Auszüge aus der Chronik

                             "Es war" - Ein Dorf und seine Menschen zwischen 1931 und 1945"

von Bodo Zapora:

 

Nach meiner Erinnerung erreichten die meisten Menschen das Dorf auf der Straße von Wiese über die Kolonie Lohe kommend. Das ergab sich einfach so. Die Hauptstraße Breslau - Trebnitz - Kalisch führte durch Wiese. Über diese Straße ging oder fuhr man in die Kreisstadt Trebnitz, oder in die ebenfalls nahe Hauptstadt Schlesiens, Breslau.

Das Dorf kuschelte sich in die Talsenke des Lohe-Bachs. Nur das geübte und wissende Auge konnte mit Mühe in dem dichten, waldähnlichen Baumbestand des Ortes die Spitze des Schloßturmes und hie und da ein kleines Fleckchen roten Ziegeldaches eines Gebäudes ausmachen.

Ich wähle den Weg von der Kleinbahnstation Wiese kommend, der der meistbenutzte war: Aus einem der nach Fußbodenöl, Kohlenrauch und schwitzenden Reisenden durftenden grün angestrichenen Waggon ausgestiegen, befindet man sich an dem wohl tiefsten Punkt des Ortes Wiese. Um nach Striese zu gelangen, wenden wir uns aber zunächst ein Stückchen nach Süden. Wir überschreiten das Bahngleis und die Hauptstraße Breslau - Trebnitz, erkennen hinter den Büschen und Sträuchern einen verlandenden Mühlteich und gehen nun in Richtung Westen nach Striese.

Links der Straße stehen parallel zur Hauptstraße einige Einfamilienhäuser. An der Oberkante dieses leichten Hanges befindet sich ein Sägewerk, wo früher neben dem mit klarem und sehr kaltem gefüllten alten Lehmschacht die Ziegelei war.

Rechts, durch einen schmalen Wiesenstreifen von der Straße getrennt, fließt munter die Lohe. Ebenfalls auf der rechten Seite nimmt ein für die Gegend fremdartig wirkendes Haus unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Auf einem weit aus dem Boden ragenden "Kellergeschoß" steht ein gemauertes Erdgeschoß und darauf ein Fachwerkgeschoß mit einem an "Gebirgshäuser" erinnernden, extrem gering geneigten Satteldach. Die sich dem Daraufzugehenden darbietende Giebelwand ist von außergewöhnlicher Breite. Der auf mich schon in meiner Kindheit immer etwas exotisch wirkende Charakter des Gebäudes wird durch eine Gruppe besonders markant geformter Kiefern noch unterstrichen.

Vor dem Krieg wohnte ein gewisser "Oberländer" darin. Hieß er so, oder nannte man ihn so, weil er, aus einem Oberland kommend, dieses in unserer Gegend einmalige Haus errichtet hatte?

Während des Krieges bis zur Flucht wohnte die Familie Laqua darin, die eine Baumschule betrieb. Das Haus gehört zur Kolonie Lohe. Drei weitere Gehöfte von Hoffmann, Arlt und Willert/Schmidt verstecken sich für den nach Striese Wandernden wieder hinter einem dichten Gürtel von Bäumen, Büschen und Sträuchern.

Wir marschieren im späten Frühling auf der Chaussee (so nannten wir die Straße) nach Striese. Gegenüber der Kolonie Lohe, nach Süden, bis hin nach Schön Ellguth zieht sich ein begrünter Grenzgraben, ein Stück der Ostgrenze Strieses. In den weißen Schlehenblüten summen tausende Bienen, wie auch in den Blüten der die Chaussee rechts und links säumenden Obstbäume. Der Wiesenstreifen rechts der Chaussee wird breiter, weil die Lohe einen kleinen Bogen nach Norden macht. An ihrem linken Ufer stehen überwiegend Erlen, am rechten wuchert ein dichter Streifen Mischwald.

Verschiedene Laub- und Nadelbäume mit dichtem Unterholz sind ein wahres Naturschutzgebiet für Vögel, Reh- und Niederwild. Dazwischen fließt murmelnd und glucksend die Lohe. Meist ist das Wasser stark beschattet, aber es gibt auch längere Partien, in denen die Sonne  durch den am linken Ufer relativ dünnen Baumbestand lange und wärmend auf das kristallklare Wasser scheinen kann.

Die durch die unzähligen Wurzeln der Bäume und Sträucher zusätzlich befestigte Lehmuferwand ist durch überhängendes Gras und tiefliegende Zweige kaum wahrzunehmen. Dort, wo die Sonne durch die Blätter scheint, werfen die schnellen Wirbel des rasch fließenden Wassers ihre Schatten auf den sandigen Grund des Bachbettes. Wer sich dem Ufer nähert, kann sich durchaus leicht erschrecken, wenn plötzlich Mengen grüner und bräunlicher Frösche vor ihm flüchtend ins Wasser springen und in Schattenlöchern Unterschlupf suchen. Ruhig am Wasser stehend ist der Betrachter überrascht, welche Vielfalt an Leben der kleine Bach bietet.

Besonders schön anzusehen sind die Schwärme der Elritzen. Klein und flink flitzen sie, wie auf Kommando die Richtung ständig wechselnd, in dunklere Buchten und andere schützende Stellen, wenn plötzlich der Schatten eines Menschen am Ufer auf sie fällt.

Faszinierend sind aber die verschiedenen Libellen, die über dem Wasser scheinbar mühelos in der Luft stehen und dann pfeilschnell einen anderen Standort aufsuchen. Besonders oft finden wir sie in der Nähe des Wehres, welches noch vor dem Dorfeingang das Wasser anstaut, um es durch den Mühlgraben, der das Dorf nördlich umfließt, zur unteren Mühle zu leiten. Hier fließt das Wasser ruhiger, es steht fast. Die Tiefe erreicht um 2 m. Gelegentlich wird dieses Stück des Baches im Sommer auch zum erfrischenden Bad genutzt, weil immerhin einige Schwimmstöße möglich sind und das Wasser recht kühl ist.

Das ganze soeben passierte Stück Wiese und Wäldchen zwischen der Kolonie Lohe und dem Wehr wird der "Krautgarten" genannt. Der Ursprung dieser Bezeichnung ist mir nicht bekannt.

Gedanklich bin ich den Bach entlang ein Stück des Weges vorausgesprungen. Wir sind noch nicht soweit. Bevor wir auf der Chaussee den Dorfrand erreichen, kreuzen wir noch das Feldbahngleis, das, von der Försterei herkommend, auf einer Brücke den Bach überquerend, von Norden in Richtung Süden auf dem Weg nach Schön Ellguth verlegt ist. Etwa auf der halben Strecke des Weges, der leicht ansteigt, biegt das Gleis auf einem Dominiumweg nach rechts zur "Ellguth-Feldscheune" ab.

Immer wenn ich als Kind diesen Weg hinauf in Richtung Ellguth schaute, meinte ich, der in der Gemarkungsgrenze am Horizont stehende besonders große, alles überragende Baum sei ein Riesen-Blumenkohl.

Zurück auf die Chaussee:

Nach Überquerung des Feldbahngleises biegt der Weg leicht nach rechts, und wir erkennen im Schatten der riesigen Linden, die die Dorfstraße säumen, durch die Stämme hindurch die Häuser von Stellmacher Rudolph Stephan und unseres Dorf-Medizinmannes Dr. Matschke. Rechts rauscht das Wasser der Lohe über die grün bemoosten Planken des Wehres, und jedesmal, wenn einer der dicken Lindenstämme zwischen dem Wehr und unserem Ohr steht, sinkt der Geräuschpegel unvermutet stark. Fährt man auf einem Fahrrad dieses Stück entlang, dann empfindet man den Wechsel zwischen dem Rauschen und der hinter den Stämmen vermeintlichen Stille noch stärker: Scht .... - scht ...-scht..!

 

 

 

 

 

 

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