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Auszüge aus der Chronik  "Es war"  -  Ein Dorf und seine Menschen zwischen 1931 und 1945,

von Bodo Zapora.

 

Hauswirtschaft in Striese

 

Der Tag beginnt sehr früh meist damit, daß das Nachtgeschirr nach draußen gebracht und saubergespült wird. Der Herd ist von Asche zu räumen, ein schnell die Platten heizendes Holzfeuer anzuzünden, damit Wasser für die Morgenwäsche warm wird und für den Kaffee kocht. Viele ziehen es auch vor, am Morgen als Frühstück eine Mehlsuppe und eine Schnitte Brot zu essen. Wer Milch hat, kocht eine Milchsuppe und süßt sie vielleicht mit Zucker; ansonsten gibt es eine Wassermehlsuppe mit Sirup gesüßt und eine Schnitte dazu. Der Morgenkaffee wird aus schnell in der Handmühle gemahlenem "Kornkaffee" und einem Stück Kaffee-Ersatz aus Zichorie gebraut, indem kochendes Wasser über den "Grund" gegossen wird. Sobald sich der Grund gesetzt hat, wird der Kaffee mit kalter Milch oder kaltem Wasser auf eine trinkbare Temperatur gebracht. Zum Kaffee gibt es Marmeladen- oder Sirupschnitten oder Fettschnitten, seltener Butterbrot. Wenn vom Wochenende noch Reste vorhanden sind, mögen insbesondere die Männer und Kinder trockenen Streuselkuchen, Babe oder Hefezopf.

Für aus dem Haus gehende Kinder und Erwachsene ist das "zweite Frühstück" zu richten und einzupacken. Ist die Hausfrau in der glücklichen Lage, nicht aufs Feld hinaus oder einer anderen Arbeit außer Haus nachgehen zu müssen, kann sie sich nun den Haustieren zuwenden, diese füttern und tränken, die Kästen und Boxen ausmisten und einstreuen, Asche aus dem Herd wegbringen, den Spirituskocher nachtanken, Schmutzwasser hinausbringen und Frischwasser von der Pumpe holen, das Frühstücksgeschirr abwaschen, die Betten machen, die Wohnung aufräumen, sich ihren etwa vorhandenen kleineren Kindern widmen usw. . . .

Wer Milchvieh zu melken und Kälber, Schweine und entsprechend viel Geflügel (Hühner, Puten, Gänse und Enten) zu versorgen hat, muß sich schon ziemlich flink bewegen, um vor dem zweiten Frühstück mit allem fertig zu sein. Pferde werden meistens von den Männern schon vor dem "ersten Frühstück" gefüttert und geputzt (d.h.  gestriegelt und gebürstet), damit sie rechtzeitig angeschirrt und eingesetzt werden können.

 

Der Herd ist in jeder Familie das wichtigste Einrichtungsstück. Die Küchenherde werden überwiegend mit Holz und Kohle befeuert. Elektroherde sind im Dorf noch eine Seltenheit, und Gasherde gibt es überhaupt nicht. Während des Sommers und zu Erwärmung von Getränken, oder um kleinere Mengen Wasser zu kochen, genügen auch Spirituskocher oder vielfach schon vorhandene Tauchsieder.

Rechts neben der Feuerung ist im Kohleherd ein Backröhr für zwei Bleche eingebaut. Durch eine verstellbare Klappe kann die von der Feuerung zum Abgasrohr ziehende Hitze um das Backröhr herum geleitet werden. Je nach Geschick und Erfahrung vermögen die Hausfrauen im Backröhr Blechkuchen, Napf-, Pfeffer- und Spritzkuchen, Plätzchen und Tortenböden zu backen oder auch Enten und Gänse "nach Art des Hauses" schön braun und knusprig zu braten. Wegen der für den Backvorgang erforderlichen größeren Hitze kann es durchaus passieren, daß das Wasser im in den Herd integrierten Wasserbehälter zu kochen beginnt und entsprechend ausgetauscht oder kalt nachgefüllt werden muß.

Der überwiegende Teil der Frauen im Dorf kocht und backt ausgesprochen gerne für die eigene Familie, aber auch für Gäste und Feste.

Backtag im Backofen des Dominiums und beim Hoffmann-Bäcker :

Während der Winterzeit, wenn die Dominiumarbeiter nicht auf den Feldern arbeiten können, hacken, bündeln und stapeln einige Männer Backofenreisig zu einem haushohen Schober, der in unmittelbarer Nähe des Backofens angelegt wird. Am Backtag werden dann karrenweise Reisigbündel in die zwei übereinanderliegenden Feuerungen gestopft und angebrannt. Wenn die Glut des Reisigs hinter den geschlossenen Einschießtüren die Backräume genügend erhitzt hat, kratzt die Backfrau mit einer breiten eisernen Krücke an einem langen Stiel die Asche und eventuell noch glühende Holzstückchen aus dem Backraum. Damit die jeweils zuerst zu backenden Brote nicht in Aschereste geschoben werden, säubert die Backfrau die heißen Böden mit einem nassen Sack, der an einer langen Stange befestigt ist. Eine Handvoll gleichmäßig breit in das Röhr geworfenes Mehl zeigt durch entsprechend schnelle oder langsame Bräunung die Hitze der Steine an. Wird das Mehl zu schnell braun, muß der Backraum nochmals mit dem nassen Sack ausgewischt und dabei abgekühlt werden.

Die in runden Strohformen auf den Abstellbrettern im überdachten Vorraum liegenden Brotlaibe werden nun einzeln auf den an einem zweieinhalb bis drei Meter langen Stiel befindlichen Brotschieber gestürzt und mit kunstvollem Schwung in das dunkle Röhr eingeschossen. Wie die Backfrau sich merkt, welche Brote mit welchen Zeichen wem gehören, ist ihr Geheimnis. Während die durchschnittlich 5 bis 6 Pfund schweren Brote ca. eineinhalb Stunden backen, bereiten die Frauen zu Hause ihre Kuchen vor, und bringen sie sogleich in Formen und auf Blechen mit großen Tüchern abgedeckt auf Rabdern zum Backofen (Rabder, mundartlich für Radber. Radber = Radeber : ostmitteldt. = Schubkarre).

Der Treffpunkt "Dominium-Backofen" hat für die sich dort begegnenden Frauen die gleiche Bedeutung wie die Backstube des Hoffmann-Bäckers, wo in der "Geschäftsbäckerei" im Grunde alles nach dem gleichen Schema abläuft. Man trifft sich mal wieder und kann die neuesten Nachrichten austauschen. Während des Krieges drehen sich die Gespräche meist darum, wie lange schon wieder keine Post aus dem "Felde" gekommen ist, welcher Vater, Sohn, Bruder gefallen, vermißt oder verwundet worden ist, aber auch von welchem Franzosen sie ein paar Rosinen, etwas Schokolade oder Kakao bekommen haben, und wer aus Griechenland oder von Kreta in welcher Verpackung per "Feldpost" Olivenöl erhalten hat. Die ihre Mütter begleitenden Kinder vergnügen sich derweil am Dominium-Backofen am Wallteich und beim Hoffmann-Bäcker am Mühlteich, was zu jeder Jahreszeit und bei fast jedem Wetter äußerst interessant und erlebnisreich ist.

Während an den Werktagen das Mittagessen meistens relativ einfach und schnell zuzubereiten ist, gibt es sonntags grundsätzlich geradezu üppige Mahlzeiten mit Vorsuppe, Braten, Klößen und verschiedenen Beilagen und als Abschluß Pudding und/oder Kompott oder je nach Jahreszeit frisches Obst.

Den größten Teil ihrer Nahrung erzeugten die Dorfbewohner selbst. Feld- und Gartenfrüchte, Beeren und Baumobst bauen die meisten Familien in eigenen oder zur Nutzung überlassenen Gärten und auf kleineren Feldparzellen an.

Die Pflege der Kleidung und Textilien (Leib-, Bett- und Tischwäsche, Gardinen, sonstige Vorhänge und Bezüge usw.) nimmt ebenfalls viel Zeit in Anspruch. Zwar wird damals die Wäsche nicht so oft gewechselt wie einige Jahrzehnte später, aber die "große Wäsche" erfordert trotzdem nicht selten zwei und mehr Tage harter Arbeit.

Nicht nur das Waschen umfaßt die Kleider- und Textilpflege. Die Hausfrauen nutzen jede kleinste Pause zwischen der Erfüllung anderer Aufgaben, "schnell mal eine Nadel zu klappern", wenn sie Socken, Handschuhe, Mützen oder Pullover, Röcke und sogar ganze Kleider stricken.

Genäht wird auch nicht nur, wenn Flicken auf zerrissene Arbeitskleidung aufzusetzen sind. In vielen Haushalten stehen schon Nähmaschinen mit Fußbetrieb, die nicht allein für die Wiederherstellung aufgeplatzter Säume oder Nähte dienen. Einfache Kinderkleidchen, Schürzen und alles, was längere einfache Nähte erfordert, wird eben mal mit der Maschine genäht.

Die Leistungs- und Einsatzbereitschaft der Hausfrauen und Mütter ist in vielen Fällen selbst dann noch nicht erschöpft. Sie finden in den Nachtstunden oder am frühen Morgen, bevor die anderen erwachen, oft noch ein paar Minuten, in denen sie besondere Hand- oder Bastelarbeiten herstellen, mit denen sie ihre Lieben bei außergewöhnlichen Anlässen überraschen und erfreuen.

 

 


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