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Schule in Striese

(Auszüge aus der Chronik "Es war" - Ein Dorf und seine Menschen, von Bodo Zapora)

 

Das Wort Schule deckt bei den Dorfeinwohnern zwei Begriffe ab. Zunächst und überwiegend ist das Gebäude gemeint, in dem die Lehrer den Kindern durch planmäßigen Unterricht das "Schulwissen" vermitteln. Erst in zweiter Linie meinen die Dörfler mit "Schule" die Institution der Wissens- und Bildungsvermitllung. Im täglichen Sprachgebrauch wird nicht besonders differenziert. Wenn zwei sich unterhalten, wissen sie meist auch, was sie gerade mit dem Wort Schule meinen.

Die Schule in Striese ist eine von der Gemeinde getragene Simultanschule für evangelische und katholische Kinder.

Die zwischen den großen Kriegen heranwachsenden Strieser kennen als Schulgebäude die "alte" und die "neue" Schule. Nur wenigen Dorfbewohnern ist bewußt, daß das Theinert-Haus die "uralte", die erste Schule im Dorf war.

Das Rotklinker-Gebäude der alten Schule hat einen großen Klassenraum und eine Lehrerwohnung. Im Klassenraum stehen in zwei Blöcken jeweils sechs viersitzige Bänke hintereinander. Die aus gehobelten Brettern zusammengefügten Bänke mit entsprechenden Pulten sind auf durchgehende Schwellen montiert. Unter den Schreibplatten befinden sich Fächer für die Büchertaschen der Schüler. In die Schreibplatten sind neben eingefrästen Mulden für die Federhalter kleine Tintenfäßchen eingelassen, die mit einem Schieber verschlossen werden können.

Den Schülern gegenüber sitzt hinter einem Katheder, das auf einem Podest steht, seitlich vor der Wandtafel der Lehrer. Weitere Hilfsmittel sind neben der Klapptafel ein Kartenständer für die im Kartenschrank stehenden zusammengerollten Landkarten (Kreis, Provinz Schlesien, Deutschland, Europa usw.) und Schautafeln und eine große "Rechenmaschine" mit schwarzen und weißen Kugeln.

Drei große nach Westen gehende Fenster lassen ausreichend Tageslicht in den Raum. Im Winterhalbjahr spenden hellstrahlende von der Decke herabhängende Kugellampen im Bedarfsfall "elektrisches Licht".

Die dunklen Holzdielen des Fußbodens werden zweimal jährlich mit Fußbodenöl getränkt, ansonsten täglich gefegt. Das Fußbodenöl riecht wohltuend stark und überdeckt so die von den Kindern verströmten individuellen Düfte.

Werkzeuge der Schüler sind: Schiefertafel mit Schwamm und Lappen in den ersten Schuljahren. Die Schiefertafeln sind auf einer Seite liniert, auf der anderen Seite kariert. Sobald die Schreibkunst von den Kindern einigermaßen beherrscht wird, müssen sie mit Feder und Tinte in Hefte schreiben. Die Schreibhefte sind liniert, die Rechenhefte kariert. Nur wenige Kinder besitzen einen Füllfederhalter. In Holzfederhalter (ca. 17 bis 20 cm lange, nach oben sich verjüngende lackierte Stäbe) mit einer am unteren Ende befindlichen Stahlspreize werden die halbrunden Stahl-Schreibfedern gesteckt, die je nach Größe und Stärke der Handschrift entsprechend oft in das Tintenfäßchen getaucht werden müssen. Während der "Denkpausen" wird von den meisten Schülern kräftig auf dem verdünnten oberen Ende der Federhalter herumgebissen. Die dadurch entstehenden "Verzierungen" zeugen dann von der Intensität der Gedankenarbeit der einzelnen Schüler.

Sobald Zeichenunterricht erteilt wird, sind Zeichenblock, Bleistift mit Radiergummi und möglichst ein "Tuschkasten" mit Wasserfarben samt "Tuschpinsel" mitzubringen; je nach Begabung werden auch Buntstifte, Ölkreiden oder Wachsmalstifte im Zeichenunterricht geduldet.

Leibesertüchtigung wird in der "Turnstunde" geboten. Im Schulhof stehen an einer Sprunggrube zwei sicher eingelassene hohe Holzpfosten, zwischen die stufenweise verstellbar eine Reckstange gesteckt werden kann. Auf Schlanzkes Spielwiese werden Gymnastikübungen, Lauf- und Ballspiele ausgeführt, wofür Lederbälle, Schlagbälle, Schlagholz und Medizinbälle aus der Schule mitgenommen werden.

Während der Kriegsjahre wird der Naturkunde-Unterricht gelegentlich auf mehrere Tage ausgedehnt, wenn etwa Kräutertee für die Lazarette gesammelt wird oder die Kinder Maikäfer oder Kartoffelkäfer suchen und sammeln müssen. Im Herbst kommt es auch mehrmals vor, daß die "Größeren" einige Tage zur Kartoffelernte eingesetzt werden.

Über die Unterrichtserteilung für die Volksschüler hinaus nehmen im Winterhalbjahr die aus der Volksschule entlassenen Heranwachsenden am Unterricht der Fortbildungsschulen teil, soweit sie nicht im Rahmen einer Lehre regelmäßig eine Berufsschule besuchen müssen.

Die Lehrer an den Dorfschulen haben einen hohen Einfluß auf das Bildungsniveau der Dorfjugend; sind sie doch für die Kinder letztlich die alleinigen Vermittler von Wissen und Bildung. Überwiegend werden in einem Klassenraum vier Jahrgänge (Klassen) gleichzeitig nebeneinander unterrichtet und/oder beschäftigt.

Während der Kriegsjahre (Herbst 1939 bis zur Flucht Januar 1945) unterrichtet in Striese der Lehrer Erich Gruhn allein sämtliche Volksschüler des Dorfes. "Die Großen" (Klassen 5 bis 8) haben ihren Unterricht in den ersten drei Stunden jeden Schultages, "die Kleinen" (Klassen 1 bis 4) in den folgenden drei Stunden. Nicht nur die Vielzahl der gleichzeitig im Klassenraum weilenden Schüler und deren Zugehörigkeit in vier verschiedenen Jahrgänge, sondern auch die zum Teil beträchtlich voneinander abweichenden Begabungen und intellektuellen Leistungen der Kinder erfordern von der Lehrkraft hohen persönlichen Einsatz und von allen Lernenden überdurchschnittlliche Aufmerksamkeit und Disziplin.

Bei diesen äußeren Voraussetzungen gibt es leider immer wieder individuelle Benachteiligungen und Unterschiede im Entwicklungs- und Leistungsstand der Schüler eines Jahrgangs. Ein Förderunterricht für leistungsstarke Schüler, die im allgemeinen Unterricht nicht ausgelastet sind, kann bei der permanenten Überlastung der Dorfschullehrer aber nicht angeboten werden.

Wer eine weiterführende Schule besuchen will und kann, muß dazu nach Breslau oder Trebnitz fahren, was für die "Fahrschüler" eine Abwesenheit von durchschnittlich etwa 10 Stunden je Schultag bedeutet.

Für die meisten Dörfler ist die Schule der wichtigste (manchmal auch einzige) Weg zu Wissen und Bildung, womit nicht nur das Minimalwissen gemeint ist.

Das von den Strieser Schulmeistern an die Dorfkinder vermittelte "Schul-Wissen" hat bei vielen von ihnen die Basis gebildet für Jahrzehnte später erzielte Erfolge.

Lesen, Schreiben, Rechnen sind zweifellos die Hauptfächer des Dorfschulunterrichts, wobei das Lesen, Schreiben und Reden den Vorrang haben. Die Sprache als Ausdrucksform des Denkens, Fühlens und Wollens befähigt auch die einfachen Menschen im Dorf, sich untereinander zu verständigen und einander Freud und Leid mitzuteilen. In der Schule wird die Hochsprache = Hochdeutsch geübt, in den Familien redet man weitgehend in der schlichteren Umgangssprache und im Dialekt. Die Schullehrer geben sich alle erdenkliche Mühe, den hochdeutschen Wortschatz ihrer Schüler möglichst zu mehren. Während der nach 1933 forcierten "Germanisierung" in den Ostdeutschen Provinzen wird auch in einzelnen Familien bewußt auf die Wortwahl geachtet: "Deutsche sprechen deutsch!" hören die Kinder immer wieder, wenn sie von den Saisonarbeitern oder an anderer Stelle aufgeschnappte ausländische Wörter unbedacht daherlabern.

Neben dem Dorfdialekt sprechen zahlreiche Dorfbewohner, die in Breslau zur Schule gehen, dort in einem Lehrverhältnis stehen oder einen Arbeitsplatz haben, mit Vorliebe das "Breslauer Vorstadtdeutsch". Diese etwas schnelle Sprache klingt weich und harmonisch, sie dürfte trotz gelegentlicher roher Worte aber im gesamten deutschen Sprachraum leicht verstanden werden.

 

 

 

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